Urlaub in Canossa

Der Juni neigt sich dem Ende zu und ich finde es ziemlich angemessen, statt von ‘Pride Month’ zu reden, den Begriff ‘Pride Season’ zu verwenden, den ich hier bei Fast Company das erste Mal gelesen habe. Bringt die ganze kapitalistische Verwertungslogik dahinter besser zum Ausdruck. Im Juli gleich wieder die Regenbogenfarben aus den firmeneigenen Social-Media-Profilbildern bügeln.

Aber um Kritik von links und irgendwelche Washing-Vorwürfe geht es Imara Jones in ihrem Artikel nicht, das Thema ist vielmehr der Umgang von Marken mit immer organisierter auftauchenden “Go woke, go broke”-Shitstorms. Sie wundert sich, dass zum Beispiel Bud Light auch im Jahr 2023 angesichts von Anfeindungen, weil sie ein Transgender-Model für sich werben ließen, nichts Besseres einfällt, als irgendwie unkoordiniert getrieben im Zickzackkurs zurückzurudern.

Dabei wäre ihrer Meinung nach die Lösung für solche reaktionären Boykottaufrufe doch ganz einfach, wie ihr Rat an eine vom Pride-Backlash betroffene Supermarktkette zeigen soll:

“Target is a company that sells to everybody. A part of selling to everybody includes customers who are LGBTQ, and that’s what we do as a company. And everyone who comes through our doors should know that’s what our values are.”

So simpel funktioniert das eben leider nicht. Als Statement liest sich eine solche Aussage gut – “everybody … everyone”, niemand möchte sich schließlich vorwerfen lassen, die Gesellschaft zu spalten. Allein, die Scheißkerle wollen gar nicht mit allen anderen in einen Topf geworfen werden, weil sie sich für etwas Besseres halten. Und deshalb muß man ihnen das auch offensiv und klar sagen statt sich zu entschuldigen, daß man nicht diskrimiert wie sie. In Wahrheit sind sie nämlich die Spalter, die nur nicht mit den Konsequenzen zu leben bereit sind.

Bei mir klänge das dann eher so:

“Unsere Firma verkauft nicht an Arschlöcher. Wenn Sie ein Problem damit haben, daß Angehörige von Minderheiten bei uns ausdrücklich willkommen sind, dann bitten wir Sie, Ihr Geld woanders auszugeben. Wir möchten Sie nicht als Kund*in.”

Es ist nicht die Haltung an sich, die ein Unternehmen ökonomisch angreifbar macht. Es ist eher das Rumgeeire im Nachgang. Das Rassisten- und Sexistenpack hat nämlich ein ganz gutes Gespür dafür, wer bei etwas Gegenwind einknickt.

3 responses to “Urlaub in Canossa

  1. Ich habe mir mal einige der Kommentare zu diesem WeLT-Artikel über den Bud Light Case durchgelesen. (https://www.welt.de/wirtschaft/article245892716/Bud-Light-verliert-Platz-als-beliebteste-US-Biermarke-nach-Transgender-Werbung.html) Das sind wirklich beinahe ausnahmslos gehässige Menschen, die nach ihren abfälligen Bemerkungen zu Transmenschen gleich weiter übers Gendern allgemein lästern, um nach nach dem Jubeln über den Umsatzeinbruch der Biermarke sofort anzumerken, daß amerikanisches Bier sowieso kein echtes Bier ist und das originale Budweiser aus Tschechien kommt.

  2. […] zu Diversität, Inklusion und Sustainability einverstanden sind. Und wenn Unternehmen dann beim ersten Gegenwind einknicken, wird es besonders bitter. Der gesunde Menschenverstand sagt einem: Was kann man dagegen haben? Und […]

  3. Wenn man als Unternehmen bei Shitstorms einen Rückzieher macht, ist das armselig genug. Man schützt monetäre Gründe dafür vor, dabei zeigt es nur, daß man vorher nicht aus Überzeugung so gehandelt hat, sondern aus Kalkül. So weit, so schäbig, aber was will man von kapitalistisch getriebenen Entitäten anderes erwarten?
    Hoffentlich sind Musikbands da etwas anders gestrickt. Man muß schon sagen, die Bud-Light-Boykotteure halten länger durch als andere Aufreger, die nach einer Woche schon wieder vergessen sind. Jetzt haben sie sich wohl auf eine von der Biermarke gesponserte Tour eingeschossen und prangern auf Social Media die teilnehmenden Musikswchaffenden an. https://www.thestreet.com/retailers/bands-face-backlash-over-bud-light-concert-tour
    Bin mir allerdings nicht sicher, wie die Berichterstattung einzuschätzen ist. Zweimal die Trollseite zitieren und ansonsten genüßlich darauf hinweisen, daß nur eine Band bisher ein halbgares Statement dazu abgegeben hat, wirkt schon biased.

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *