Für die Pest im Mann

Nach den Wellen, die das KretzschmarInterview über angeblich nicht (mehr) existente Meinungsfreiheit geschlagen hat, macht die BILD heute ganz groß auf mit einer Debatte: Darf man nicht mehr sagen, was man denkt? Es kommen Promis, Experten und Bürger zu Wort. Wohl eher, um die sozialpolitischen Agenda des Springer-Blattes abzustecken, denn als ein echtes Abbild der Gesellschaft zu zeigen.

Was man aus den meisten Stimmen so als Kanon herausliest: Man kann wohl (noch?) seine Meinung sagen, aber wenn sie nicht “dem Mainstream” entspricht, dann muß man eben auch mit dem Gegenwind leben. Können. Und was diesen Mainstream ausmacht, davon hat jeder seine eigene Vorstellung. Im Falle der Bild ist das linksversifftes Gutmenschentum, daran lässt das Setting und die einzelnen Wortmeldungen zusammen mit der Stoßrichtung der anlassgebenden Äußerungen Kretzschmars kein Zweifel.

Wer nicht ausnahmslos sämtliche Refugees willkommen heißt, dem Islam nicht in verauseilendem Gehorsam entgegenkommt, vielleicht noch Vorbehalte gegenüber der Gleichstellung von Homosexuellen hegt, der landet nach dieser konservativen Lesart unweigerlich im gesellschaftlichen Abseits. Da wird in einem hanebüchenen Umkehrschluß plötzlich Zensur, Ausgegrenzung, ja Ächtung herbeiphantasiert. Immer schön mit dem Zusatz: “Ausgeübt gerade von denen, die sonst immer von Toleranz reden!”

Wie die Wirlichkeit aussieht, zeigt ein aktueller Werbefilm der Marke Gillette. Dieser spicht sich gegen offensiv Mobbing und Sexismus aus – was könnte man(n) dagegenhaben?

Veröffentlicht vor zwei Tagen, ist das Video bis jetzt bei 2,633,479 Views sage und schreibe 235,000 mal mit einem Daumen nach unten bewertet worden – ungefähr 9mal so oft wie die positiven Bewertungen. In vielen, vielen Kommentaren auf YouTube, aber auch in Posts auf Facebook und Twitter fürchten Menschen um ihre Männlichkeit. Die Alt-Right dreht durch, Boykottaufrufe sind das Mindeste. Vorwürfe, das wäre “unamerikanisch”. Am liebsten würde man das ganze Unternehmen Procter & Gamble zum Teufel jagen, usw.

Warum? Weil sich jemand in aller Deutlichkeit für etwas einsetzt, das eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte. Wie abgefuckt muß man sein, um sich von Forderungen nach Gleichheit und Rücksichtnahme derart bedroht zu fühlen, daß die Beißreflexe kein Halten mehr kennen?

Leute, geht’s noch?!?

Böse Zungen werden behaupten, Gilette ändere seine Kommunikation nicht aus einer ehrlichen Haltung heraus, sondern aus rein wirtschaftlichen Erwägungen. Die Reflektion von #MeToo etwa spiele hierbei kaum eine Rolle, sondern eher die Tatsache, daß glattrasierte Männergesichter immer seltener werden, während mehr und mehr Frauen sich nahezu den kompletten Körper enthaaren.

Ich allerdings bezweifle, daß eine (imaginierte) Feminisierung der Hauptmarke Gilette irgendwelche groß erkennbaren Effekte auf das weibliche Venus-Sortiment abstrahlen wird. In Zeiten abstruser Auswüchse des Gender-Marketings wäre es aber immerhin mal eine abwechslungsreiche Strategie.

Für die Frage der Meinungsfreiheit sind die Beweggründe der Firma ohnehin nur zweitrangig.

One response to “Für die Pest im Mann

  1. So nämlich. Richtig so, Gillette D-A-CH. drikkes.com/?p=13385

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  • 💬 Hektor Chantal

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